Sicherheitsserie: So gelingt ein Mensch-über-Bord-Manöver
- ONWATER

- 8. Nov.
- 4 Min. Lesezeit
Es ist eines der wichtigsten Manöver beim Bootfahren – nicht nur in der Sportbootführerschein (SBF)-Prüfung: Das Mensch-über-Bord-Manöver, kurz MOB. Warum du das Manöver beherrschen musst und wie du es sicher fährst.

Ein Mensch-über-Bord-Manöver (MOB) ist einer der wenigen Notfälle auf dem Wasser, bei dem Sekunden wirklich über Leben und Tod entscheiden. Wer schnell, ruhig und richtig handelt, hat eine deutlich höhere Chance, die Person lebend zurückzubekommen – wer panisch reagiert oder die Grundlagen nicht kennt, macht die Rettung unnötig schwer. Deshalb ist das MOB keine Theorie für Lehrbücher, sondern Pflichtstoff für jede Besatzung.
Hier kommt ein praktischer, gut abgesicherter Fahrplan für dich – kurz, präzise und zum Einüben geeignet. Die Reihenfolge ist wichtig: Alarm → Sicht behalten → Markieren → Annäherung → Bergung → Nachsorge.
Übrigens: Im Rahmen deiner praktischen Sportbootführerscheinprüfung (SBF) übst du selbstverständlich nicht mit echten Menschen, sondern mit einer Boje, oft Oscar genannt. In dem Fall sprechen wir von einem Boje-über-Bord-Manöver.
Die ersten Sekunden: Sofortmaßnahmen - Alarm schlagen und Rollen verteilen
Manchmal lässt es sich nicht vermeiden, und eine Person geht über Bord. Nach der ersten Schocksekunde solltest du schnell handeln und einen kühlen Kopf bewahren, um Schlimmeres zu verhindern. Gehe wie folgt vor:
Ruf laut „Mensch über Bord – Backbord/Steuerbord!“
Dadurch weiß jeder sofort, was los ist. Klarheit spart Zeit.
Bestimme einen Ausguck (Person A): immer nur eine Person beobachtet die treibende Person und zeigt mit ausgestrecktem Arm. Diese darf die Person niemals aus den Augen verlieren.
Beauftrage Rettungsmittel-Auswurf (Person B): Rettungsring mit Leine, Wurfleine, Lifebelt, oder alles Schwimmfähige sofort ins Wasser.
Notruf prüfen/absetzen, sobald es die Lage zulässt: DSC- oder UKW-Notruf (Mayday) an MRCC / Seenotrettung, besonders wenn die Gefahr besteht, die Person nicht selbst rechtzeitig zu bergen.
Die nächsten Sekunden bis Minuten: Sichtkontakt halten und Position sichern
Halte deine Augen immer auf die Person! Verliert ihr sie aus den Augen, kann sie in Wind, Strom und Wellen sehr schnell verschwinden. Ein einziger Ausguck ist effektiver als alle anderen.
Bist du auf dem Meer unterwegs, drücke die MOB-Taste am Plotter, um die GPS-Position zu speichern. Das gibt dir die letzte bekannte Position und hilft bei der Navigation zurück.
Weiterhin ist es sinnvoll, Markierungen zu setzen: Ein Rettungsring, Rauchboje (bei Tag/Nacht sinnvoll), oder sichtbare Wurfgegenstände erhöhen die Chance, die Person wiederzufinden.
Welche Manöver? (Anfahren / Zurückfahren)
Im Rahmen deiner SBF-Prüfung läuft das das Mensch- bzw. Boje-über-Bord-Manöver binnen weniger Sekunden ab.
In der Realität kann das natürlich anders sein und je nach Strömung oder Wind länger dauern. Je nach Bootstyp und Besatzung gibt es bewährte Manöver zum Retten von über Bord gegangenen Menschen.
Anderson-Turn / Quick Stop (kurz, wendig) — gut für kleinere, wendige Boote: Drehung um den Punkt, um schnell wieder rückwärts auf die Person zuzukommen.
Williamson-Turn — klassisch in der Berufsschifffahrt: bringt das Schiff in dessen Kielwasser zurück; nützlich bei höherer Geschwindigkeit und wenn die Person aus den Augen verloren wurde.
Scharnow-Turn / Single Turn — Alternativen je nach Situation (Wind, Strom, Platz).
Wichtig: Nimm Menschen (bzw. im Übungsfall die Boje) immer gegen die Windrichtung auf. Dazu bringst du den Motor möglichst schnell auf Neutral, durch Auskuppeln, und stoppe dann erst neben der Person. Verletzungsgefahr durch die Schraube ist real und wird so vermieden. In jedem Fall solltest du langsam und kontrolliert ansteuern, nicht hektisch „draufhalten“.
Annäherung & Bergung — praktische Hinweise
Anfahren gegen Wind/Strom, so dass das Boot kontrollierbarer ist und du die Person „ansteuern“ kannst. Ob du in Luv oder Lee bergst, hängt von Bootstyp, Seegang und Beladung ab (bei kleinen Jollen oft Luv vermeiden wegen Kentergefahr; bei größeren Booten ist Luv oft sicherer).
Stoppen: Auskuppeln, ggf. Motor abstellen — niemals mit eingelegtem Vorwärtsgang neben der Person bleiben.
Leinenverbindung herstellen: Rettungsring mit Leine, Schleppleine oder Bergeschlinge anreichen, damit die Person sich festhalten kann.
Bergungsweg planen: Leiter, Badeplattform, Rettungsschlinge oder Flaschenzug (bei hohem Freibord) bereitlegen. Oft ist ein Flaschenzug nötig — nasses Gewicht kann erheblich sein.
Bewusstsein & Unterkühlung prüfen: Sofort Erste Hilfe leisten, warm halten, Kleidung nicht unnötig ausziehen; bei Verdacht auf Nackenverletzung vorsichtig stabilisieren.
Was du nicht tun solltest
Nicht hinterher springen, wenn nicht absolut sicher (doppelte Opfergefahr).
Nicht mit einem laufenden Propeller neben der Person aufstoppen.
Nicht mehrere Leute gleichzeitig ins Wasser schicken — das erhöht das Risiko mehrerer Opfer.

Wie man ein Mensch-über-Bord-Manöver verhinert (damit es gar nicht erst passiert)
Rettungswesten immer griffbereit — bei rauer See oder Nacht angelegt. Weste muss passen und korrekt sitzen.
Lifebelts und Sorgleinen bei kritischen Arbeiten an Deck benutzen.
Alkohol an Bord reduzieren — viele Überbordfälle haben Alkohol als Mitursache.
Rollen & Notverfahren einüben: Benenne Notrollen (Ruderer, Ausguck, Werfer, Bergungscrew) bevor du losfährst. Übung rettet Leben.
Kurz-Checkliste zum Notieren für dein Cockpit
Ruf: „Mensch über Bord — Backbord/Steuerbord!“
Ausguck anweisen: Person A → Sichtkontakt halten
Rettungsmittel anweisen: Rettungsring/Wurfleine ins Wasser
MOB-Taste drücken / GPS speichern
Notruf (DSC/UKW Mayday) absetzen, wenn nötig
Geeignetes Manöver fahren, Motor in Neutral vor Stop
Bergung mit Leiter/Schlinge/Flaschenzug
Erste Hilfe & Unterkühlung behandeln
Zum Schluss — üben, üben, üben
Denk daran: Meinst du es ernst mit dem Bootfahren und willst du regelmäßig längere Törns machen, ist dieses Manöver absolute Priorität für dich - weit über deine Praxisprüfung hinaus. Um richtig fit zu sein und im Notfall einen kühlen Kopf bewahren zu können, musst du das Manöver aus dem EffEff beherrschen. Übe bei verschiedenen Bedingungen: Tag/Nacht, unterschiedlicher Windstärke, mit und ohne Motor. Nur wer das Manöver geübt hat, bleibt im Ernstfall ruhig und effektiv.